Das Seeschlösschen wurde Jahre 1897 vom Hamburger Baumeister Friedrich Schäfer erbaut. Gestaltet im neoklassizistischen Stile der Bäderarchitektur der Kaiserzeit, basiert es hier jedoch auf einer schönen Anlehnung an den palladinischen Stil der italienischen Renaissance.
Der zementverputzte zweieinhalbgeschossige Bau spielt mit Rücklagen an zwei dem Gebäude hervorgehobenen Seitenrisaliten und zwei Mittelrisaliten. Diese umrahmen hierdurch einen als Rücklage besonders hervorgehobenen Baukörper, der auf einem Balkon steht, von dekorativen Säulen gestützt. Die dadurch architektonisch geschickt hervorgehobene Mittel-Rücklage war von einem kleinen Aussichtsturm gekrönt. Dieser Turm ist heute leider nicht mehr original, da er zu Zeiten der DDR dem Verfall preisgegeben und erst nach 1992 wiederhergestellt wurde. Der gesamte Baukörper ist typisch für den Stil von Andrea Palladio aus der Mitte des 16. Jahrhunderts: Er ist in Höhe und Tiefe symmetrisch gestaffelt. Das Erdgeschoß und die Ecken weisen Quaderungen auf, die Fassade ist durch Gesimse, Halbsäulen und Pilaster gegliedert. Die auffälligen palmförmigen Akroterien zur Verzierung und Bekrönung der Giebelfirsten wurden um 1930 im passenden Stil hinzugefügt.
Der Baunternehmer Friedrich Schäfer hatte großen Anteil am Bau von Bädervillen in den Usedomer Ostseebädern. Bereits zehn Jahre zuvor hatte er seine „Villa Schäfer“, die spätere „Villa Waldhaus“ in der Zinnowitzer Waldstrasse 11 errichtet. Auf Usedom war es üblich geworden, das die Bädervillen von Berliner Mauerer- und Hamburger Zimmermannskolonnen errichtet wurde, da durch den Bauboom nicht mehr genug einheimische Handwerker zur Verfügung standen. Zu dieser Zeit befanden sich Dünen und Küstenschutzwald nördlich der Waldstrasse und des Glienberges noch in preußischem Staatsbesitz. Erst nach der Parzellierung und Versteigerung dieses Areals im Jahre 1895 konnte Schäfer sein Seeschlösschen in der exponierten und privilegierten Lage in der Düne über dem Meer erbauen. Die Parzelle XII hatte damals der Generalagent Friedrich Bergemann aus Potsdam für 5 500 Mark in seinem Auftrag ersteigert. In der Zeit von 1900 bis zum Ersten Weltkrieg verdiente ein ungelernter Arbeiter etwa 27 Mark pro Woche, ein qualifizierter Maurer rund 40 Mark pro Woche. 1 Goldmark (1873-1899) entsprach heutigen 18 Euro.
Später, in einer Beschreibung aus dem Jahre 1903 heißt es: „Villa Seeschlösschen, unmittelbar an der See und am Walde gelegen, bietet mit seinen mit Springbrunnen versehenen Vorgärten, seinem eine herrliche Fernsicht gewährendem Aussichtsturm und seinen elegant eingerichteten Wohnungen mit Wasserleitung und Spülklosetts einen auch die verwöhntesten Ansprüche befriedigenden Aufenthalt“
Den Bauführer Friedrich Schäfer finden wir noch 1890 im Hamburger Adressbuch am Pferdemarkt 43 wohnend. Nach der Eheschließung mit der Zinnowitzerin Wilhelmine Bollow war Friedrich Schäfer im Ostseebad Zinnowitz sesshaft geworden. Seine „Villa Seeschlösschen“ wurde später dann von Friedrich Schäfers Tochter Marta übernommen und nach ihrer Heirat mit dem Nachbars-Sohn, dem Waldhornbläser und Tonkünstler Frithjof Ercke, gemeinsam als Pension bewirtschaftet.
Das damals bekannte Weinlokal des Weingroßhändlers Friedrich Ercke „Zum Kuckuck“ befand sich unmittelbar neben dem Seeschlösschen wo heute das Haus „Waterkant“ steht. Else, die zweite Tochter des Baumeisters, heiratete den Wolgaster Musikdirektor Georg Saldsieder. Dieser wirkte auf Usedom als Kurkapellmeister. Georg Salzsieders Schwager Frithjof Ercke blies zeitweise in seiner Kapelle das Waldhorn. Eine beschauliche Welt zur Kaiserzeit. Schäfers Sohn Walter war Tischler und betrieb eine Stellmacherei.
1953, im Zuge der „Aktion Rose“ genannten Enteignungswelle an der DDR-Ostseeküste wurde auch die Eigentümerfamilie des Seeschlösschens schwerer Wirtschaftsverbrechen beschuldigt. Diese „Verbrechen“ bestanden darin, von einem Fischer zuweilen Heringe, ganze 100 Pfund in 2 Jahren, sowie etwa 2 Liter Milch pro Woche von seinem Cousin Bollow ohne Bezugsschein angekauft zu haben! Frithjof Ercke wurde dafür „Im Namen des Volkes“ zu einer Zuchthausstrafe von 1 ½ Jahren verurteilt, die Pension wurde enteignet und die Familien Saldsieder und Zoch nebst der 13jährigen Enkelin in einem Viehwaggon in den mecklenburgischen Kreis Röbel deportiert.
1954 wurden die Familien zwar begnadigt, einigen Familienmitgliedern wurde aber wegen „Sicherheitsbedenken“ der Aufenthalt am nunmehr militarisierten Ostseestrand weiterhin verwehrt. Das zwischenzeitlich heruntergewirtschaftete Seeschlösschen wurde im Gnadenakt sogar zurückgegeben, abgepresste Knebelverträge mit geringen Mieteinnahmen ermöglichten jedoch keinen wirtschaftlichen Betrieb der Pension mehr. Wie bei vielen anderen Objekten in Zinnowitz kam es nun zu einer kalten Enteignung. 1968 wurde daher der Not-Verkauf an die Gewerkschaft der deutsch-sowjetischen Uranabbaugesellschaft Wismut erzwungen. Diese betrieb das vormals stolze Seeschlösschen nun als Erholungsheim für ihre vom radioaktiven Staub im stark gesundheitsschädlichen Uranbergbau geschwächten Arbeiter. Es bekam den Namen eines kommunistischen Funktionärs: FDGB-Heim „Fritz Heckert“, Feriendienst der IG Wismut.
Das Jahr 1992 sah das ehemalige Seeschlösschen, wie auch viele andere Gebäude am Ort, als Ruine: Das Dach war durchlöchert, sämtliche Dielenböden, Fenster, Türen und Zargen entfernt oder vermodert. Das Regenwasser lief über Jahre oben herein und unten heraus. Alle historischen Kachelöfen und viele andere schöne Details, wie auch das originale Türmchen, waren unwiederbringlich weg.
Es ist wichtig, an dieses Unrecht zu erinnern, das vielen Zinnowitzer Familien in ähnlicher Weise widerfuhr.
Die Reste der Villa Seeschlösschen wurden nach der „Wende“ zu Beginn der neunziger Jahre im Rahmen eines sogenannten „Investitionsvorrangverfahrens“ durch die Gemeinde Zinnowitz zum Verkauf ausgeschrieben. Den Zuschlag durch die „Treuhand“ erhielten Investoren aus Bielefeld, die das attraktivste Sanierungs-, Nutzungs- und Beschäftigungskonzept eingereicht hatten.
Die liebevolle Sanierung der Immobilie begann 1994. Um baurechtlichen- und Nutzungsanforderungen gerecht zu werden, konnten nur die Außenmauern erhalten bleiben. Auch war die Erweiterung über einen hinteren Anbau notwendig, der weitgehend die historische Gliederung der Frontseite aufnahm. Die Verkehrsführung hatte sich während der vergangenen 100 Jahre geändert; die Hinterseite wurde daher jetzt die Eingangsfront. Die Arbeiten erfolgten in Begleitung des Denkmalschutzes, der hier leider eine aufwendige, dem Stil der Seeseite entsprechende Eingangs-Fassade an der Südseite verhinderte.
Die Innenausstattung sollte, damals wie heute, einen hohen Qualitätsstandard setzen. Darum wurde z.B. für die Bäder und Erschließungsbereiche ausschließlich Granit und Marmor verwendet. Als Brücke zur kaiserlichen Epoche des Ursprungsbaujahres finden sich an vielen Stellen des Hauses Antiquitäten und Bilder aus dem 19. Jahrhundert.
1997 dann wurde das Seeschlösschen als luxuriöses Aparthotel wiedereröffnet.
Heute wird das Seeschlösschen im Verbund mit den benachbarten Hotels Asgard und Asgard’s Meereswarte von der Zinnowitzer Familie Lippmann bewirtschaftet.